Open Gender Journal (2022) | Rubrik: querelles-net: Rezensionen

Die Erde als Geliebte, das Kollektiv als Geliebte. Ökosexuelle und posthumanistische Perspektiven in der Performance-Kunst

Rezension von Friederike Nastold


Rezensionen zu Annie Sprinkle, Beth Stephens: Assuming the Ecosexual Position. The Earth as Lover.
Minneapolis: University of Minesota Press 2021
256 Seiten, ISBN: 978-1-5179-0019-9, ca. 30,00 €


Abstract

Das Buch „Assuming the Ecosexual Position“ erzählt die Geschichte von Annie Sprinkle und Beth Stephens als liebende und gemeinsam arbeitende Kollaborateur*innen und bietet einen lustvollen und performativen (Über-)Blick in das gemeinsame (Performance-)Werk. Seit 2005 entwickeln die Künstler*innen öffentliche Hochzeit-Performances, und 2008 heirateten sie in Form der Green-Wedding-Performance das erste Mal ihre mehr-als-menschliche Geliebte: die Erde. Sprinkle und Stephens setzten mit ihren Hochzeiten ein politisches Zeichen gegen Diskriminierung, da in den 2000er Jahren die Ehe für alle in den USA noch nicht bundesweit rechtskräftig war. Mit der Begründung des performativen „Love Art Lab“ – das im Zentrum des Buches steht – feier(te)n die Künstler*innen weitere schillernde Hochzeitsperformances u.a. mit dem Mond, dem Himmel oder den Appalachen, zusammen mit vielen Kollaborateur*innen. Mit ihrem Werk und diesem Buch schreiben die Künstler*innen ein weiteres Stück Performance-Geschichte.

Schlagworte: Aktivismus, Liebe, Natur, Performance, Queer

Zitationsvorschlag: Nastold, Friederike (2022): Die Erde als Geliebte, das Kollektiv als Geliebte. Ökosexuelle und posthumanistische Perspektiven in der Performance-Kunst. Rezension zu Annie Sprinkle, Beth Stephens (2021): Assuming The Ecosexual Position. The Earth As Lover. In: Open Gender Journal 6. doi: 10.17169/ogj.2022.211.

Copyright: Friederike Nastold. Dieser Artikel ist lizensiert unter den Bedingungen der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz (https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de).

DOI: https://doi.org/10.17169/ogj.2022.211

Veröffentlicht am: 23.12.2022

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Mehr-als-menschliche Beziehungsgefüge

„What if we imagined the Earth as our lover instead of our mother? Or both? What if our bodies didn’t stop at our skin but were much, much more expansive?“ (S. XIII). Diese Frage stellen die Künstler*innen Annie Sprinkle und Beth Stephens zu Beginn ihres Buches „Assuming the Ecosexual Position“, das 2021 erschienen ist. Zugleich lässt diese Frage auch die aktivistischen und philosophischen Ansätze aufscheinen, innerhalb derer sich die beiden ökosexuellen Künstler*innen bewegen: von ökofeministischen über sexpositive bis hin zu posthumanistischen Perspektiven. Ihr Werk lässt sich daher als transdisziplinäres beschreiben, das auf unterschiedlichen Ebenen Binaritäten porös werden lässt und dadurch für unterschiedliche Disziplinen wie Gender/Queer Studies, Visual Culture Studies oder Philosophie produktive Anknüpfungspunkte bietet. Die queerende Perspektive, die die Autor*innen einnehmen, leistet dabei einen wichtigen Beitrag zu aktuellen ökofeministischen Debatten, indem diese um sexpositive Ansätze ergänzt werden. Ihr Queering kann im Sinne von Antke Engel als „eine Praxis, die Sprache und Bilder nutzt, um die Herrschaft der Normalität zu unterbrechen“, (Engel/Govrin/von Redecker 2016, 12), verstanden werden. Es entstehen queerende Ökologien, durch die Sexualitäten, Natur und Geschlecht aus Essentialisierungen gelöst werden, wodurch eine neue Schnittstelle erscheint, die es ermöglicht, über vergeschlechtlichte Mensch-Welt-Verhältnisse in gemeinsamer Verantwortung oder – mit Donna Haraway gesprochen – über die „ability to respond“ (Haraway 2018) theoretisch/aktivistisch/künstlerisch zu diskutieren.

Vorspiel I: Ökofeministische, sexpositive und posthumanistische Kontexte

Dichotome Setzungen wie Natur/Kultur, Tier/Mensch, Mann/Frau strukturieren die westliche Denktradition und Weltanschauung seit der Renaissance bis heute. Insbesondere die hierarchisch funktionierende Natur-Kultur-Dichotomie ist historisch mit der binären und hierarchisch vergeschlechtlichten Ordnung von Gesellschaften verknüpft (vgl. Bauhardt 2018, 468): Die weiblich vergeschlechtlichte Position wird der Natur zugeschrieben, die männlich vergeschlechtlichte Position der Kultur (vgl. auch Plumwood 1993). Das daraus resultierende Ausbeutungsverhältnis von Natur und weiblich vergeschlechtlichter Arbeit wie auch das vergeschlechtlichte Mensch-Welt-Verhältnis sind seit den 1970er Jahren Gegenstand (öko)feministischer Kämpfe und erleben durch die drastische Entwicklung des Klimawandels eine neue Relevanz:

„Ecofeminism brings together elements of the feminist and green movements, while at the same time offering a challenge to both. It takes from the green movement a concern about the impact of human activities on the non-human world and from feminism the view of humanity as gendered in ways that subordinate, exploit and oppress women.“ (Mellor 1997, 1)

Mit ihrer künstlerisch-aktivistischen Arbeit der letzten 20 Jahre knüpfen Sprinkle und Stephens an ökofeministische Themen wie Nachhaltigkeit und Umweltschutz an und erweitern sie um queerende Ökologien. Auch die Frage nach dem reziproken Verhältnis zwischen der Unterdrückung von Frauen und der Ausbeutung der Natur zeigt sich bei ihnen als Anknüpfungspunkt. Sie problematisieren jedoch essentialisierende Ansätze innerhalb ökofeministischer Bewegungen im US-amerikanischen Kontext und distanzieren sich von ihnen (vgl. S. 16). Ihr Augenmerk liegt vielmehr auf der Frage, wie durch eine sexpositive und queerende Perspektive ein Mensch-Welt-Verhältnis als Netzwerk entwickelt werden kann. Demnach ist ihrer Auseinandersetzung eine Bewegung hin zu neomaterialistischen Theorien eingeschrieben; doch wird die partielle Überschneidung mit ökofeministischen Themen fernab von essentialisierenden Debatten damals wie heute kritisch reflektiert. Diese Bewegung ist auch im deutschsprachigen Raum bei Theoretiker*innen wie Christine Bauhardt im Kontext der Politikwissenschaften oder Alisa Kronberger im Kontext der Medienwissenschaften zu beobachten, die zu nicht-essentialisierenden, sondern vielmehr produktiven Ansätzen zwischen ökofeministischen und neomaterialistischen Fragestellungen forschen (vgl. Bauhardt 2018, Kronberger 2022). Die thematischen Schwerpunkte von Sprinkle und Stephens bieten daher vielzählige Anknüpfungspunkte an aktuelle Debatten – insbesondere über Disziplingrenzen hinweg.

Theoretiker*innen wie Donna Haraway, Elizabeth Grosz, Stacy Alaimo wie auch Karen Barad dekonstruieren in ihren Arbeiten ebenfalls ein dichotomes Mensch-Natur-Verhältnis. Passive Materie wird im Kontext eines Neuen Materialismus als „vibrant matter“ (Bennett 2010) zum relationalen Aktanten. Dieses Interesse wie auch jene Kritik finden sich bei Sprinkle und Stephens beispielweise in ihrer kollaborativen Arbeit, indem die Erde nicht primär als Mutter, sondern als Geliebte und gleichzeitig als aktive Materie verhandelt wird. Dadurch wird die essentialistische Zuschreibung von Frau/Mutter/Natur der 1970er Jahre dekonstruiert und in queere, lustvolle, mehr-als-menschliche Beziehungsgeflechte überführt. Diese Verschiebung impliziert die jahrelange sexpositive, künstlerische und aktivistische Arbeit der Künstler*innen: das Verhandeln und Entwerfen von vielfältigen Sexualitäten fernab einer heteronormativen Geschlechtermatrix. Ihre Arbeiten können darüber hinaus mit dem von der Philosophin und Wissenschaftshistorikerin Donna Haraway geprägten Konzept der NaturKulturen verknüpft werden. Haraway versteht Natur und Kultur als verwobenes Geflecht, das dichotome Setzungen porös werden lässt und gemeinsam Entitäten oder Gefährt*innen produziert. Aus einer posthumanistischen Perspektive wird der Mensch folglich als eine von vielen Entitäten in der Welt konzipiert (vgl. Haraway 2016, 10f., 18). Der Mensch beherrscht diese nicht, sondern ist in jenem Beziehungsgefüge der reziproken Verantwortung mit der Welt verbunden.

Vorspiel II

Das wortwörtliche Vorspiel des Buches, verfasst von Una Chaudhuri, mutet wie eine Fluxus-Instruktion zum Lesen und Handhaben des Buches an: Streichle die Seiten, stecke deine Nase in das Buch, schmecke mit deiner Zunge die Seiten und Ecken des Buches (vgl. S. IX). „Assuming The Ecosexual Position“ wird dadurch einer rein funktionalen Handhabung enthoben und präsentiert sich als mehr-als-menschliche Gefährt*in, die uns durch die Lebens- und Projektgeschichte von Sprinkle und Stephens führt.

Das Buch ist in acht Kapitel gegliedert, gerahmt durch das bereits erwähnte Vorspiel, ein ökosexuelles Glossar, das zum Weiterschreiben einlädt, ein Vorwort der Künstler*innen und ein Nachwort des Gefährten und Philosophen Paul B. Preciado. Dabei folgt das Buch einer chronologischen Erzählung, angefangen mit frühen Kindheitserinnerungen über das Sich-Verlieben bis hin zum Miteinander-Arbeiten als Künstler*innen – eingebettet in der Reflexionsgeschichte ihrer künstlerisch-aktivistischen Projekte der vergangenen fast 20 Jahre.

Von den „Ecosex Herstories“ über das „Love Art Lab“ zu den „Ecosex Walking Tours“

Im ersten Kapitel mit dem Titel „Our Ecosex Herstories“ erzählen Sprinkle und Stephens aus ihrer Kindheit und von ihren ersten ökosexuellen Erfahrungen wie beispielsweise dem Genuss beim Essen von Tomaten, die nicht gepflückt werden durften, oder dem Gefühl von Füßen in feuchter, matschiger Erde, die geräuschvoll zwischen den nackten Zehen hochquillt. Das zweite Kapitel öffnet im Interview-Format Einblicke in ihr künstlerisches Schaffen, ihr Sich-Kennenlernen und Sich-Lieben und in die Entscheidung, nicht nur Partner*innen, sondern auch Kollaborateur*innen zu werden. Dieses Kapitel bildet den Grundstein einer Ode an das Kollektiv, die – und das ist das Produktive – nicht romantisierend wirkt. Beide berichten auch von den Herausforderungen und Reibungspunkten, wenn zwei liebende Menschen sich entscheiden, im Kollektiv zu arbeiten. Ihre Projekte sind vor dem Hintergrund dieses Interviews leichter zu verstehen.

Im Herzstück des Buches (drittes bis sechstes Kapitel) wird ausführlich das „Love Art Lab“ vorgestellt, das zuallererst im Kontext des Performance-Projekts „Another Twenty-One Years of Living Art“ der Performance-Künstlerin Linda M. Montano entstanden ist. Montanos Projekt bot die Plattform und die Struktur der „life-as-art-Performances“ (S. 53) sowie den gesellschaftlich-politischen Kontext: „The Love Art Laboratory grew out of our response to the violence of war, the anti-gay marriage movement, and our prevailing culture of greed. Our projects are symbolic gestures intended to help make the world a more tolerant, generative, and peaceful place” (S. 55), so die Künstler*innen in ihrem Artist-Statement. Sprinkle und Stephens verknüpf(t)en den politischen Kampf um eine legale gleichgeschlechtliche Ehe mit dem Feiern und Verhandeln der Ehe in ihren jährlichen Performances. 2004 feierten die Künstler*innen ihre Rote Hochzeit im Collective Unconscious Theater in New York, auf dessen Bühne Sprinkle 1988 das erste Mal ihre „Post-Porn-Modernist-Show“ aufgeführt hatte. Anhand der Vorstellung dieser Hochzeit wird die Struktur des Buches deutlich: Sprinkle und Stephens verbinden in allen Kapiteln ihre gemeinsamen künstlerisch-performativen Praktiken mit ihren individuellen Künstler*innen- und Lebensbiografien. Darüber hinaus wird ersichtlich, dass sich das Kollektiv selten auf die beiden Künstler*innen reduzieren lässt, sondern dass ein vielfältiges Netzwerk an ihren Projekten mitarbeitet: Viele befreundete Künstler*innen und Theoretiker*innen beteilig(t)en sich mit Aktionen und Performances an den Hochzeitszeremonien – bei der Roten Hochzeit beispielsweise u.a. Barbara Carrella, die ihre „Top Ten Reasons Why Marriage Should Be Abolished“ (S. 57) vortrug. Ihre Intervention dekonstruierte die Institution Ehe als solche und wurde zugleich gleichberechtigter Teil jeder folgenden Hochzeit des Künstler*innen-Paares. Zu jeder Hochzeit findet sich ein manifestartiges Statement, das die Gründe und thematischen Schwerpunkte der Hochzeit skizziert.

Im Verlauf der folgenden Kapitel berichten Sprinkle und Stephens über weitere interaktive Performances, die im Rahmen des „Love Art Lab“ entstanden sind und die ebenfalls dem feministischen Slogan „Das Private ist politisch“ folgen, wie etwa die „Chemo Fashion Show“ oder die „Sidewalk Sex Clinics“. Waren die ersten drei Hochzeiten noch menschzentriert, so verdichtete sich das ökosexuelle Interesse der Künstler*innen spätestens bei ihrer Grünen Hochzeit 2008 mit der Zeremonie ihrer ersten mehr-als-menschlichen-Hochzeit: Sie heirateten ihre Geliebte, die Erde. Der Grünen Hochzeit ist ein ganzes Kapitel gewidmet, da sie als ökosexueller und mehr-als-menschlicher Wendepunkt in ihrer künstlerisch-aktivistischen Arbeit fungiert. Hier finden sich auch die Anleitung „25 Ways To Make Love To The Earth“, ihre ersten Erfahrungen von „Ecosex Walking Tours“ sowie eine weitere Verknüpfung von Umwelt-Aktivismus und künstlerischer Arbeit: Der Film „Goodbye Gauley Mountain“ entstand u.a. während des 50-Meilen-Walks auf den Blair Mountain in West Virginia. Aktuell arbeiten sie an ihrem Film „Playing With Fire“. Im sechsten Kapitel werden die Leser*innen eingeladen und aufgefordert, selbst Hochzeiten mit mehr-als-menschlichen Entitäten zu feiern.

Im letzten Teil des Buches erzählen Sprinkle und Stephens von ihrem ersten internationalen „Ecosex Symposium“, der Verflechtung ihrer theoretischen und künstlerischen Praxis mit den Arbeiten von Donna Haraway und von ihren Aktionen auf der documenta 14 in Athen und Kassel: „Cuddle-Performances“ in Athen und „Ecosex Walking Tours“ durch Kassel – Inspiration dazu war die vulvaförmige Kassler Karlsaue. Darüber hinaus findet sich hier das „Ecosexual-Manifesto-2.0“, das die Verschränkung von Theorie und Praxis, Kunst und Politik, Mitwelt und Sexualitäten umfasst. Kurz gesagt: Das Manifest präsentiert ihr Selbstverständnis, sich der Dekonstruktion von kulturell-gesellschaftlich konstruierten Dichotomien zu verschreiben.

Nachspiel

Wie das Buch als eine Liebeserklärung an die Erde und an das Arbeiten im Kollektiv gelesen werden kann, so erweitert das Nachwort von Paul B. Preciado diese um eine Liebeserklärung an die kollaborativ arbeitenden Künstler*innen: Er kontextualisiert auf sehr wertschätzende Art und Weise die Entwicklung ihrer Arbeit. Daher können insbesondere das Nachwort wie auch die Einleitung als Skizzierung der Forschungslandschaft verstanden werden, beide bieten viele Ansätze für weiterführende Lektüre.

Trotz der chronologischen Erzählung lädt das Buch dazu ein, Leser*in einzelner Projekte oder Manifeste zu werden, von der Mitte nach hinten oder zurück an den Anfang, was heißt, dass das Buch rhizomatisch begriffen und genutzt werden kann. Es ist auch versetzt mit performativen Anleitungen, wie das Buch gemeinsam laut gelesen oder wie eine Hochzeitszeremonie mit mehrals-menschlichen Akteur*innen gefeiert werden kann. Neben den erzählenden Passagen und Analysen der gemeinsamen Projekte finden sich viele Interviews und/oder Gespräche der Künstler*innen, die das Buch noch lebhafter und gleichzeitig biografisch gestalten.

Die kontinuierliche Verortung ihrer Arbeit innerhalb sexpositiver Feminismen ist dabei besonders hervorzuheben: Die Reflexion der eigenen Arbeit wie auch die Verknüpfung und die Weiterentwicklung sexpositiver Ansätze der 1990er Jahre hin zu mehr-als-menschlichen Lüsten zeigt sich beständig und produktiv. Sexpositive Ansätze finden sich in allen Projektberichten und Reflexionen in Theorie und Praxis, in biografischen Erzählungen und künstlerischen Projekten lustvoll und differenziert wieder.

Zu kurz kommt meines Erachtens die theoretische Verortung ihrer Projekte innerhalb neomaterialistischer bzw. posthumanistischer Ansätze. Oder anders formuliert: Theoretiker*innen, die im Feld der Ökofeminismen oder des Posthumanismus forschen, finden zwar zahlreiche thematische Anknüpfungspunkte, Wissenschaftler*innen, die neu im Feld sein, könnten sich jedoch eine umfassendere Einführung in posthumanistische Diskurse wünschen. Gleichwohl werden Gefährt*innenschaften zu Donna Haraway oder Jane Bennett als Vertreterin eines Neuen Materialismus eingeführt und mit Blick auf ihr künstlerisches Werk diskutiert. Posthumanistische oder neomaterialistische Ansätze werden überwiegend in ihren Hochzeit-Performances und Manifesten als Teil und vor allem durch ihre künstlerische Praxis sichtbar gemacht. Diese Herangehensweise sowie ihre kontinuierliche Transferleistung zwischen Theorie und Praxis, Kunst und Politik, liefern wichtige Anknüpfungspunkte, um essentialisierende Zuschreibungen zwischen Geschlecht und ökologischen Diskursen zu überwinden und mittels einer queerenden Perspektive das Mensch-Natur-Verhältnis neu zu beleuchten.

Ich selbst bin als Künstlerin und Kunsttheoretikerin mit Schwerpunkt Gender/Queer Studies ausgebildet und lese das Buch im Sinne eines performativen Künstler*innen-Buchs, da es den Aufruf impliziert, weitere Bündnisse zu bilden, und die Leser*innenschaft motiviert wird, selbst aktiv zu werden. Das Potenzial des Buches sehe ich dabei insbesondere in der Verschränkung von genderqueeren und ökofeministischen Themen, die für transdisziplinäre Forschungsfragen überaus anschlussfähig sind. Mehr als deutlich wird hier, dass Parodie und Witz wie auch Kollaborationen – ob mit menschlichen oder mehr-als-menschlichen Entitäten – nach wie vor wichtige künstlerische wie politische Praktiken sind, um die Welt zu verändern. Kurz: ein humorvolles, theoretisches wie performatives Bucherlebnis, das einlädt mitzumachen, weiterzumachen, Kollektive zu bilden und ein Bewusstsein für unsere Mitwelt zu schaffen.

Literatur

Bauhardt, Christine (2018): Ökofeminismus und Queer Ecologies: feministische Analyse gesellschaftlicher Naturverhältnisse. In: Kortendiek, Beate/Riegraf, Birgit/Sabisch, Katja (Hg.): Handbuch Interdisziplinäre Geschlechterforschung. Wiesbaden: Springer VS, 467–478. doi: 10.1007/978-3-658-12500-4_159-3

Bennett, Jane (2010): Vibrant Matters. A Political Ecology of Things. Durham: Duke University Press. doi: 10.2307/j.ctv111jh6w

Engel, Antke/Govrin, Jule Jakob/von Redecker, Eva (2016): Lust an Komplexität und Irritation. 10 Jahre Institut für Queer Theory. Berlin: institute for queer theory.

Haraway, Donna (2018): Unruhig bleiben. Frankfurt/New York: Campus Verlag.

Haraway, Donna (2016): Manifest für Gefährten. Berlin: merve.

Kronberger, Alisa (2022): Diffraktionsereignisse der Gegenwart. Feministische Medienkunst trifft Neuen Materialismus. Bielefeld: transcript. doi: 10.1515/9783839461310

Mellor, Mary (1997): Feminism and Ecology. New York: New York University Press.

Plumwood, Val (1993): Feminism and the Mastery of Nature. London/New York: Routledge.