Open Gender Journal (2025) | Rubrik: querelles-net: Rezensionen
Rezension von Michaela Maria Hintermayr
Rezension zu Helena Schüttler, Paulina Lutz, Maja Werner, Leonie Steinl, Inga Schuchmann, Yvonne Krieg und Dilken Çelebi (Hg.): Gender & Crime – Sexuelle Selbstbestimmung und geschlechtsspezifische Gewalt.
Baden-Baden: Nomos 2024.
235 Seiten, ISBN: 978-3-7560-1101-8, 74,00 € (Print), 0,00 € (E-book).
Der Sammelband Gender & Crime – Sexuelle Selbstbestimmung und geschlechtsspezifische Gewalt (Nomos, 2024) darf als zentraler Beitrag zur feministischen Kriminologie gelten. Der interdisziplinäre Band verknüpft Rechtswissenschaft, Soziologie und Geschlechterforschung und thematisiert geschlechtsspezifische Gewalt, strukturelle Machtverhältnisse und sexuelle Selbstbestimmung. Besonders hervorzuheben sind die Analysen zu Femiziden und den Erfahrungen von trans* und queeren Personen. Die häufige intersektionale und gesellschaftskritische Perspektive ist zu loben, kritisch zu bewerten sind allerdings teils deskriptive Ansätze und eine unzureichende Behandlung digitaler Gewalt. Insgesamt überzeugt das Werk durch seine theoretische Tiefe und politische Relevanz und eröffnet neue Perspektiven auf Geschlecht, Gewalt und Recht.
Schlagworte: Gender, Gewalt, Kriminalität, Sexualisierte Gewalt
Zitationsvorschlag: Hintermayer, Michaela Maria (2025): Grenzen der Freiheit. Wie Geschlecht über Sicherheit bestimmt. Rezension zu Helena Schüttler, Paulina Lutz, Maja Werner, Leonie Steinl, Inga Schuchmann, Yvonne Krieg und Dilken Çelebi (Hg.): Gender & Crime – Sexuelle Selbstbestimmung und geschlechtsspezifische Gewalt. In: Open Gender Journal (2025). doi: http://doi.org/10.17169/ogj.2025.404
Copyright: Michaela Maria Hintermayr. Dieser Artikel ist lizensiert unter den Bedingungen der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz (https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de).
DOI: http://doi.org/10.17169/ogj.2025.404
Eingereicht am: 24. September 2025
Angenommen am: 22. Oktober 2025
Veröffentlicht am: 26. November 2025
Um auf Zusatzmaterial zuzugreifen, besuchen Sie bitte die Artikelseite.
Laut der World Health Organization (vgl. WHO 2024) trifft Frauen Gewalt besonders in Intimpartnerschaften und im Rahmen dieser bevorzugt in sexueller Form. So ist davon auszugehen, dass jede dritte Frau im Laufe ihres Lebens körperliche und/oder sexuelle Gewalt durch einen Intimpartner (bewusst in der maskulinen Form, da die Täter vor allem eines sind: männlich) oder sexuelle Gewalt durch eine andere Person erfährt. Gleichzeitig ist es so, dass Gewalt gegen Frauen massiv unterberichtet wird, auch weil viele Vorfälle aufgrund von Angst, Scham oder Misstrauen gegenüber den Behörden gar nicht zur Anzeige gebracht werden. Zudem wurden beziehungsweise werden weiterhin eine Reihe von Formen sexualisierter Übergriffe nicht sanktioniert, zum Beispiel Vergewaltigung in der Ehe (wurde in Österreich und der Schweiz erst 2004 zu einem Offizialdelikt), verbale sexuelle Belästigung in der Form des sogenannten Catcallings, das Versenden von Penisbildern (erst seit September 2025 in Österreich strafbar).
Entsprechendes müssen Personen erfahren, die dem LGBTIQ+-Spektrum angehören. Sogenannte Hasskriminalität wird entweder nicht als solche erfasst oder überhaupt verfolgt, wobei auch hier die Anzeigenbereitschaft aufgrund von negativen Erfahrungen beziehungsweise Befürchtungen vermindert ist (vgl. Amnesty International 2006). Genau hier setzt der Sammelband „Gender & Crime“ an – positioniert im Spannungsfeld zwischen Rechtswissenschaft, Kriminologie und Geschlechterforschung – und trifft dabei auf einen Nerv. Geschlechtsspezifische Gewalt, sexuelle Selbstbestimmung und strukturelle Machtverhältnisse stehen seit der MeToo-Bewegung im Fokus öffentlicher Debatten wie nie zuvor. Die Herausgeberinnen greifen diese Dynamiken auf und bündeln sie in einem interdisziplinären Werk, das sowohl qualitative und quantitative als auch gemischte Forschungsansätze berücksichtigt.
Die gesammelten Beiträge lassen sich anhand folgender Achsen einordnen: