Open Gender Journal (2025) | Rubrik: querelles-net: Rezensionen

„Forum Frauen- und Geschlechterforschung“: Blick zurück nach vorn auf eine Buchreihe für die Sichtbarmachung der sozialwissenschaftlichen Frauen- und Geschlechterforschung

Rezension von Heike Kahlert


Rezension zu Ingrid Jungwirth, Julia Gruhlich, Darja Klingenberg, Sylka Scholz, Helen Schwenken, Lina Vollmer (Hg.) (2023):
Revisiting Forum Frauen- und Geschlechterforschung. Impulse aus 20 Jahren.
Münster: Westfälisches Dampfboot.
538 Seiten, ISBN 9783896912527, 48,00 €


Abstract

Die Herausgeberinnen dieses Sammelbands aus der Buchreihe „Forum Frauen- und Geschlechterforschung“ der Sektion Frauen- und Geschlechterforschung in der Deutschen Gesellschaft für Soziologie haben 31 in der Reihe bereits veröffentlichte Beiträge aus den Jahren 2000 bis 2021 neu zusammengestellt. Dadurch wollen sie in einer Art Zwischenbilanz zeigen, welche Themen bisher Eingang in diese Buchreihe gefunden haben und inwiefern die Perspektivvielfalt der Frauen- und Geschlechterforschung darin abgebildet wird. Damit liegt ein eindrucksvoller Überblick über den Themenreichtum der sozialwissenschaftlichen Frauen- und Geschlechterforschung vor. Offen bleibt aber, welche Impulse die Herausgeberinnen wem mit dieser Zusammenstellung geben wollen und welche fachlichen Zukunftsvisionen sich aus diesem Revisiting für die künftige Sichtbarmachung von Beiträgen aus der sozialwissenschaftlichen Frauen- und Geschlechterforschung ergeben.

Schlagworte: Feminismus, Frauenforschung, Geschlechterforschung, Queer Theory, Wissenschaft

Zitationsvorschlag: Kahlert, Heike (2025): „Forum Frauen- und Geschlechterforschung“: Blick zurück nach vorn auf eine Buchreihe für die Sichtbarmachung der sozialwissenschaftlichen Frauen- und Geschlechterforschung. Rezension zu Ingrid Jungwirth, Julia Gruhlich, Darja Klingenberg, Sylka Scholz, Helen Schwenken, Lina Vollmer (Hg.) (2023): Revisiting Forum Frauen- und Geschlechterforschung. Impulse aus 20 Jahren. In: Open Gender Journal (2025). doi: 10.17169/ogj.2025.360.

Copyright: Heike Kahlert. Dieser Artikel ist lizensiert unter den Bedingungen der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz (https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de).

DOI: http://doi.org/10.17169/ogj.2025.360

Eingereicht am: 17. Februar 2025

Angenommen am: 19. Februar 2025

Veröffentlicht am: 11. März 2025

Förderung: Die diesem Text zugrunde liegenden Daten und Informationen zur Geschichte der Sektion Frauen- und Geschlechterforschung in der Deutschen Gesellschaft für Soziologie wurden im Rahmen des Vorhabens „Gender-Innovationen in den Sozial- und Geisteswissenschaften: Organisationen und Lehre im Fokus“ erhoben, das mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung unter dem Förderkennzeichen 01FP22078 gefördert wird. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei der Autorin.

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Sicht- und Hörbarmachung der sozialwissenschaftlichen Frauen- und Geschlechterforschung mit einer eigenen Buchreihe

Die „Sektion Frauen- und Geschlechterforschung in den Sozialwissenschaften in der Deutschen Gesellschaft für Soziologie“ wurde am 19. April 1979 als „Sektion Frauenforschung in den Sozialwissenschaften in der Deutschen Gesellschaft für Soziologie“ auf Beschluss des Konzils der Deutschen Gesellschaft für Soziologie eingerichtet und konstituierte sich am Tag darauf. Im deutschsprachigen Raum gehört die Sektion zu den ersten wissenschaftlichen Organisationen, die von Frauen gegründet wurden, um Fragestellungen und Arbeitsweisen der Frauen- beziehungsweise Frauen- und Geschlechterforschung in der fachwissenschaftlichen und gesellschaftlichen Öffentlichkeit voranzubringen und ihren Protagonist*innen hier Sicht- und Hörbarkeit zu verleihen.

Bereits zum Zeitpunkt der Sektionsgründung spielten Fragen der Veröffentlichung der Arbeiten von Sektionsmitgliedern und von Beiträgen auf Sektionstagungen eine große Rolle, „um Frauenforschung in die Öffentlichkeit, vor allem in die traditionelle Forschungsöffentlichkeit zu tragen“ (Sektion Frauenforschung in den Sozialwissenschaften in der Deutschen Gesellschaft für Soziologie [künftig: Sektion] 1979, 2): „[m]öglichst in Buchform“ (ebd.), aber auch in Sonder- beziehungsweise Schwerpunktheften „der etablierten sozialwissenschaftlichen Zeitschriften“ (ebd.). Hilde von Ballusek, von 1983 bis 1985 erste Sprecherin der Sektion, „regte […] auch die Möglichkeit einer ‚Reihe Frauenforschung‘ an“ (Sektion 1985d, 1). „Campus“ (gemeint scheint der seinerzeit bezüglich Veröffentlichungen aus der Frauenforschung sehr aktive Campus-Verlag) habe ebenfalls zu der Gründung einer eigenen Buchreihe angeregt (Sektion 1985a, 28).

Die Möglichkeit einer eigenen Buchreihe wurde zunächst im Sektionsrat weiter diskutiert und schließlich als „‚Forum Frauenforschung‘ konzipiert“ (Sektion 1985b, 7): „Die Reihe soll – wie der Namen andeutet – eine Art Diskussionsforum für Kontroversen, die wichtig, aktuell und ungeklärt sind, darstellen“ (Sektion 1985b, 8) und sollte „der Arbeit und Diskussion in der Sektion Ausdruck verleihen“ (Sektion 1985a, 28). Die Herausgeber*innenschaft der Reihe sollte bei der Sektion Frauenforschung liegen, die Herausgeber*innenschaft der einzelnen Bände bei „‚[k]ompetente[n] und interessierte[n] Frauen aus dem Pool der ehemaligen Sprecherinnen und Sektionsrätinnen‘“ (Sektion 1985b, 8) – wie es später heißt, sollten „ehemalige Sprecherinnen und Rätinnen durch die ‚Ehre‘ der Herausgeberschaft für die Mühen der Sektionsratsarbeit belohn[t werden]“ (Sektion 1987, 12). Nach der Diskussion auf der Mitgliederversammlung der Sektion am 15. und 16. Mai 1986 in Bielefeld beschloss der Sektionsrat schließlich die Gründung der lange diskutierten Buchreihe: „1) Die Reihe wird in unregelmäßiger Folge herausgegeben. 2) Die Themenauswahl erfolgt durch den amtierenden Sektionsrat. 3) Der amtierende Sektionsrat bestellt das Herausgeber-Gremium, das vornehmlich aus dem Kreis ehemaliger Sektionsrätinnen und -sprecherinnen bestehen soll. 4) Zukünftige Themenvorschläge werden von allen Mitgliedern der Sektion erwartet.“ (Sektion 1985c, 35)

Nach einigem Hin und Her hinsichtlich der Entscheidung für einen Verlag, in dem die Reihe publiziert werden sollte, fiel die Wahl schließlich zunächst auf den AJZ-Verlag Bielefeld. Hier erschienen zwischen 1987 und 1989 drei Bände. Zum Jahresende 1989 kündigte die Sektion den Vertrag mit dem AJZ-Verlag und wechselte zum Jahresbeginn 1990 zum Kore-Verlag Freiburg (Bände 4–9). Seit 1998 erscheint die Buchreihe im Verlag Westfälisches Dampfboot Münster (Sektion 1999, 16), ab 2006 mit Band 19 unter dem Reihentitel „Forum Frauen- und Geschlechterforschung“ infolge der bereits 2002 erfolgten Umbenennung der „Sektion Frauenforschung“ in „Sektion Frauen- und Geschlechterforschung“. Von 1987 bis 2023 wurden in der Reihe 52 Bücher veröffentlicht, davon der vorliegende als Doppelband 52/53. Es handelt sich sämtlich um Sammelbände. Viele davon sind in mehreren Auflagen erschienen.

Blick zurück nach vorn: Wandel des Publizierens in der Frauen- und Geschlechterforschung

Verfolgt man die Geschichte dieser Buchreihe durch die bis zur Abfassung dieser Rezension 107 erschienenen Rundbriefe der Sektion hindurch, so fällt auf, dass dem Sektionsrat ihre Existenz lange selbstverständlich war, aber seit circa zehn Jahren innerhalb dieses Gremiums immer wieder diskutiert wird, inwiefern sie in der bisherigen Form noch den Bedarfen und Bedürfnissen der Sektionsmitglieder entspricht. Die Gründe für diese Diskussionen sind vielfältig. Digitale Publikationsformate, Open Access sowie der Druck zur Qualitätssicherung durch Peer-Review-Verfahren oder vergleichbare Mechanismen in Verbindung mit Fachzeitschriften und zur internationalen Sichtbarkeit mittels englischsprachiger Veröffentlichungen spiegeln Veränderungen im wissenschaftlichen Publizieren verglichen mit den 1980er und 1990er Jahren wider. Und hinzu kommen noch die gegenüber den 1980er Jahren gewachsenen Optionen, Ergebnisse der soziologischen beziehungsweise sozialwissenschaftlichen Frauen- und Geschlechterforschung auch außerhalb einer speziellen Buchreihe, in anderen Verlagen und in verschiedenen Fachzeitschriften der Frauen- und Geschlechterforschung sowie partiell auch der etablierten sozialwissenschaftlichen Fächer in deutscher und zumindest auch englischer Sprache publizieren zu können.

Julia Gruhlich, Ingrid Jungwirth, Darja Klingenberg, Sylka Scholz und Helen Schwenken verorten in ihrer Einleitung den vorliegenden Band im Rahmen verschiedener Aktivitäten der Sektion, um „zurückzublicken, das Erreichte zu würdigen, aber auch, um Kontroversen und die eigene Position und Aufgabe zu reflektieren und Zukunftsvisionen zu entwickeln“ (S. 9). Er soll „die Frage nach dem Anliegen der Frauen- und Geschlechterforschung innerhalb der Sozialwissenschaften und ihr[en] Wunsch nach kollektiver Selbstvergewisserung“ (ebd.) fortsetzen. Dabei wird die Buchreihe als eines der zentralen wissenschaftlichen Austauschformate und „gedruckte[s] ‚Gedächtnis‘“ (ebd.) der Entwicklung der sozialwissenschaftlichen Frauen- und Geschlechterforschung vorgestellt. Das Ziel der Reihe bestehe darin, die Vielfalt soziologischer und sozialwissenschaftlicher Forschung in der Frauen- und Geschlechterforschung sichtbar und einer breiteren wissenschaftlichen Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Im Zuge dieses Blicks zurück nach vorn soll der vorliegende Sammelband eine „Reflexion in kritischer Absicht“ (S. 10) leisten: „Welche Themen haben bisher Eingang in die Buchreihe gefunden und inwiefern wird die Perspektivvielfalt der Frauen- und Geschlechterforschung in der Buchreihe abgebildet?“ (Ebd.) Mit dieser Reflexion sollen „die eigenen Begrenzungen und Ausschlüsse bewusst“ (ebd.) gemacht und adressiert werden. Für diese Rückschau haben die Herausgeberinnen schließlich die in der Buchreihe in den letzten 20 Jahren – faktisch handelt es sich um die Jahre 2000 bis 2021 – publizierten Beiträge gesichtet und daraus eine Auswahl für die Wiederveröffentlichung getroffen. Dabei soll der Band „ein punktuelles ‚gegen den Strich Lesen‘ des Kanons zu unternehmen“ versuchen (S. 11), denn: „Neben etablierten Autor*innen sollten auch vergessene oder weniger bekannte Texte und Themen mit gesellschaftlicher Relevanz gewürdigt werden“ (S. 11f.). Darüber hinaus sei es Ziel, „auch die institutionell weniger etablierten, aber dennoch wichtigen Themengebiete in der Geschlechterforschung zu würdigen, seien es postkoloniale Perspektiven oder Inter- und Transstudien“ (S. 12). Die im Titel des Bandes gewählte Verlaufsform des Revisiting verweise somit auf das Anliegen, die Buchreihe Revue passieren zu lassen und Denkanregungen zu geben.

Im Buch behandelte Themenfelder und erneut besuchte Beiträge im Überblick

Das Produkt dieses aufwändigen Unternehmens ist ein 583 Druckseiten umfassendes Buch mit 31 Beiträgen, das mit diesem Umfang den eher üblichen Rahmen von Sammelbänden überschreitet und daher auch als Doppelband Nr. 52/53 in der Buchreihe der Sektion geführt wird. Der Band ist in sechs Themenfelder gegliedert, „die zwar nicht alle, aber so doch wesentliche Forschungsbereiche der Frauen- und Geschlechterforschung abdecken“ (S. 12). Dabei zeigen sich gewollt diverse Überkreuzungen innerhalb und zwischen den Themenbereichen und werden Querverbindungen sichtbar. Die Beiträge sind theoretisch, methodologisch und/oder empirisch ausgerichtet und überwiegend aus soziologischen, aber auch politikwissenschaftlichen, erziehungswissenschaftlichen, sozialpädagogischen und sozialpsychologischen Perspektiven verfasst.

Die sechs Texte im ersten Themenfeld „Gesellschaftliche Transformationen und Feminismen“ handeln von den bis heute kaum aufgearbeiteten Bedeutungen von feministischer Gesellschaftstheorie im Vergleich zwischen der kapitalistischen und realsozialistischen Moderne (Gudrun-Axeli Knapp, Irene Dölling), der Wahrnehmung von Feminismus in den Medien (Imke Schmincke), dem racial profiling aus feministischer Sicht (Vanessa E. Thompson), Überlegungen zum Mensch-Natur-Verhältnis aus Sicht des neuen Materialismus (Christine Bauhardt) sowie der Verbindung von Wissenschaft, Politik und Poetik am Beispiel eines Gedichts aus den Trans*- und Inter*-Studien (Ika Elvau).

Der zweite Themenbereich „Migration, Globalisierung und Transnationalisierung“ enthält auch sechs Beiträge. Deren Autorinnen befassen sich mit dem sogenannten Subsistenzansatz (Maria Mies), der Transnationalität im Privathaushalt (Helma Lutz), der Globalisierung von Hausarbeit (Maria S. Rerrich), dem Zusammenhang von Geschlecht, Klasse, Migration und sozialer Ungleichheit (Ilse Lenz), der Handlungsfähigkeit von Frauen in und durch Migration (Mirjana Morokvašic) und einer Zusammenführung von Queer Studies und Migrationsforschung (Maria do Mar Castro Varela und Nikiata Dhawan).

Im dritten Themenfeld „Körper, Sexualität und queere Kritiken“ werden in ebenfalls sechs Beiträgen eine queertheoretische Gesellschaftsanalyse (Sabine Hark und Mike Laufenberg), epistemologische Überlegungen zum Heteronormativitätskonzept (Sushila Mesquita), methodologische Reflexionen zur Übersetzung von Queer Theorien, Kategorienkritik und Intersektionalität in empirische Forschung (Maria do Mar Castro Varela), Analysen von trans*-queeren Körperpraxen (Utan Schirmer) beziehungsweise der Überkreuzungen von Behinderung, Heteronormativität und Geschlecht (Heike Raab) und Konturen eines mehrdimensionalen und intersektionalen (Anti-)Gewaltbegriffs (Tamas Fütty) vorgelegt.

„Arbeits- und Geschlechterverhältnisse“ stehen im vierten Themenbereich im Mittelpunkt. In fünf Beiträgen werden geschlechtliche Arbeitsteilungen (Cornelia Klinger), der Übergang zur postfordistischen Arbeitsgesellschaft (Brigitte Aulenbacher und Birgit Riegraf), der Zusammenhang von Arbeit und Liebe (Annette Henninger und Christine Wimbauer), die asymmetrische Geschlechterkultur in Organisationen (Ursula Müller) und Fabrikarbeiterinnen in Bangladesh (Petra Dannecker) beleuchtet.

Die Autor*innen der vier Beiträge im fünften Themenfeld „Männlichkeiten und Sozialisation“ setzen sich mit dem Konzept der hegemonialen Männlichkeit (Michael Meuser), einem Überblick über Sozialisationsforschung (Anja Tervooren), der Bedeutung von Gewalt bei männlichen Adoleszenten (Mechthild Bereswill) und männlich vergeschlechtlichten Sozialisationsprozessen (Rolf Pohl) auseinander.

Der sechste und letzte Themenbereich „Familien, Reproduktion und Biopolitik“ enthält schließlich ebenfalls vier Beiträge, in denen das hegemoniale Familienleitbild (Ulrike Popp) und dessen Beharrungskraft (Katharina Mangold und Julia Schröder), die männliche Generativität (Sylka Scholz) und die Familienpolitik (Susanne Schultz) kritisch in den Blick genommen werden.

Zukunftsvisionen in strategischer Absicht

Der vorliegende Sammelband verdeutlicht eindrucksvoll vor allem die theoretische und methodologische, aber auch die thematische Breite der in der Buchreihe der Sektion veröffentlichten Erträge der sozialwissenschaftlichen Frauen- und Geschlechterforschung. Die hier erneut veröffentlichten Texte werden in der Einleitung je kurz im Kontext der Themenfelder, denen sie zugeordnet wurden, und darin in Bezug zu bereits veröffentlichten, auch älteren Bänden und Aufsätzen aus der Buchreihe vorgestellt, sodass zwar der thematisch-inhaltliche Schwerpunkt auf dem 21. Jahrhundert liegt, aber auch Beiträge aus den 1980er und 1990er Jahren Erwähnung finden.

Die „eigenen Begrenzungen und Ausschlüsse“ (S. 10) macht das Buch allenfalls implizit bewusst, sie werden jedoch nicht explizit adressiert: Theoretische, methodologische und thematische Leerstellen der Buchreihe werden nicht benannt, sodass die in der Einleitung angekündigte Entwicklung von „Zukunftsvisionen“ nicht mit Impulsen von den Herausgeberinnen angestoßen wird, sondern in den Köpfen der Leser*innen erfolgen muss. Warum schließlich welche Beiträge (nicht) aufgenommen wurden und welche Impulse sich die Herausgeberinnen mit der vorliegenden Beitragsauswahl in welche Richtung und bei welchen Adressat*innen erhoffen, bleibt leider offen. Dass die Buchreihe weitergeführt werden soll, ist aus Sicht der Herausgeberinnen klar, für das Wie finden sich keine vorwärtsweisenden Ideen in fachlicher Hinsicht.

Damit spiegelt der Sammelband möglicherweise unbeabsichtigt nicht nur die Herausforderungen der aktuellen Umbrüche im Wissenschaftssystem und Verlagswesen hinsichtlich der Zukunft des wissenschaftlichen Publizierens wider. Vielmehr wird auch die Frage nach dem Stellenwert der Frauen- und Geschlechterforschung im Konzert der Disziplinen am Beispiel der Soziologie und der an diese angrenzenden Sozialwissenschaften aufgeworfen: Ist die Frauen- und Geschlechterforschung inzwischen zum selbstverständlichen Bestandteil der Soziologie beziehungsweise Sozialwissenschaften geworden, sodass es keine eigene(n) Buchreihe(n) mehr braucht, sondern entsprechende Beiträge in den disziplinären Publikationsorganen ihren Platz finden? Dies wäre gewiss eine empirisch zu klärende Frage, deren Beantwortung möglicherweise bisher unerkannte Erfolge in Bezug auf die Institutionalisierung der Frauen- und Geschlechterforschung in der Soziologie beziehungsweise den Sozialwissenschaften sichtbar machen würde.

Umgekehrt kann aber auch gefragt werden, ob es vielleicht von Seiten der diese Buchreihe herausgebenden Sektion eine veränderte Publikationsstrategie braucht, die nicht nur den Publikationsort kritisch in den Blick nimmt sowie gegebenenfalls erneuert und auf Veröffentlichungsanfragen aus der scientific community wartet – „wir freuen uns über […] Vorschläge für weitere Bände zur Reihe“ (S. 33) –, sondern proaktiv in der Frauen- und Geschlechterforschung bisher unterbelichtete Themen für künftige Publikationsprojekte aufgreift, damit Agendasetting betreibt und so die auch in diesem Wissenschaftsbereich bisher nicht oder nur spärlich bestellten Themenfelder forschungsstrategisch weiter voranbringt.

Literatur

Sektion Frauenforschung in den Sozialwissenschaften in der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (1999): Protokoll der Mitgliederversammlung der Sektion Frauenforschung am Samstag, den 3. Juli 1999 von 17.30 bis 19.00 Uhr in Gelnhausen. In: 61. Rundbrief. Berlin, 15–16.

Sektion Frauenforschung in den Sozialwissenschaften in der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (1987): Treffen Sektionsrat 14./15.11.1986 in Bielefeld. In: Rundbrief Nr. 27. Bielefeld, Hannover, 11–12.

Sektion Frauenforschung in den Sozialwissenschaften in der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (1985a): Protokoll der Mitgliederversammlung in Bielefeld am 15.6.1985, 13.30–16.00 Uhr und am 16.6.1985, 12–14 Uhr. In: Rundbrief Nr. 24. Bielefeld, Hannover, 27–33.

Sektion Frauenforschung in den Sozialwissenschaften in der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (1985b): Protokoll der Sektionsratssitzung vom 4. und 5. Mai 1985 in Bielefeld. In: Rundbrief Nr. 23. Bielefeld, 6–8.

Sektion Frauenforschung in den Sozialwissenschaften in der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (1985c): Protokoll der Sektionsratssitzung vom 11./12.10.1985 in Dortmund. In: Rundbrief Nr. 24. Bielefeld, Hannover, 34–35.

Sektion Frauenforschung in den Sozialwissenschaften in der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (1985d): Rundbrief Nr. 22. Bielefeld.

Sektion Frauenforschung in den Sozialwissenschaften in der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (1979): Rundbrief Nr. 1. München, Konstanz.