„Standardmäßig denke ich bei Sexual- und Gewaltstraftaten an männliche Verbrecher“ – Eine quantitative Studie zur Wirkung von geschlechtsinklusiver Schriftsprache bei der Referenz auf Sexual- und Gewaltdelinquenz
DOI:
https://doi.org/10.17169/ogj.2025.348Schlagworte:
Sexualisierte Gewalt, Geschlechtergerechte Sprache, Täterin, Geschlechterstereotyp, TabuAbstract
Obwohl bis zu 20% der Sexual- und Gewalttaten von Frauen begangen werden, werden diese im öffentlichen Bewusstsein bislang kaum als Täterinnen wahrgenommen. Dies hat zur Folge, dass ein beträchtlicher Anteil an sexueller Gewalt und Betroffenen ‚übersehen‘ wird. Anhand einer quantitativen Online-Studie wurde erstens untersucht, inwiefern geschlechtsinklusive Schriftsprachformen – maskuline Formen (-er) im Vergleich zu feminin-movierten (-in) und Genderstern- sowie Doppelpunkt-Formen (*(in); :(in)) – den gedanklichen Einbezug von Frauen als (mögliche) Täterinnen beeinflussen. Die Ergebnisse zeigen, dass maskuline Formen nicht geschlechtsübergreifend wirken und gegenwärtig feminin-movierte Formen wirkungsvoll und unerlässlich sind, um auf Frauen als (mögliche) Tatpersonen aufmerksam zu machen. Demzufolge eignen sich derzeit und als erster Schritt Paarformen mit maskulinem Erstglied (beispielsweise Plural Täter und Täterinnen), um die tatsächlich Tatbegehenden bestmöglich mental bei Rezipierenden sichtbar zu machen, ohne dabei vom überwiegenden Anteil an männlichen Tatpersonen abzulenken. Im zweiten Teil des Beitrags werden Erkenntnisse zu bestehenden geschlechtlich-binären Tatperson-Prototypen vorgestellt.
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