„Standardmäßig denke ich bei Sexual- und Gewaltstraftaten an männliche Verbrecher“ – Eine quantitative Studie zur Wirkung von geschlechtsinklusiver Schriftsprache bei der Referenz auf Sexual- und Gewaltdelinquenz

Autor/innen

DOI:

https://doi.org/10.17169/ogj.2025.348

Schlagworte:

Sexualisierte Gewalt, Geschlechtergerechte Sprache, Täterin, Geschlechterstereotyp, Tabu

Abstract

Obwohl bis zu 20% der Sexual- und Gewalttaten von Frauen begangen werden, werden diese im öffentlichen Bewusstsein bislang kaum als Täterinnen wahrgenommen. Dies hat zur Folge, dass ein beträchtlicher Anteil an sexueller Gewalt und Betroffenen ‚übersehen‘ wird. Anhand einer quantitativen Online-Studie wurde erstens untersucht, inwiefern geschlechtsinklusive Schriftsprachformen – maskuline Formen (-er) im Vergleich zu feminin-movierten (-in) und Genderstern- sowie Doppelpunkt-Formen (*(in); :(in)) – den gedanklichen Einbezug von Frauen als (mögliche) Täterinnen beeinflussen. Die Ergebnisse zeigen, dass maskuline Formen nicht geschlechtsübergreifend wirken und gegenwärtig feminin-movierte Formen wirkungsvoll und unerlässlich sind, um auf Frauen als (mögliche) Tatpersonen aufmerksam zu machen. Demzufolge eignen sich derzeit und als erster Schritt Paarformen mit maskulinem Erstglied (beispielsweise Plural Täter und Täterinnen), um die tatsächlich Tatbegehenden bestmöglich mental bei Rezipierenden sichtbar zu machen, ohne dabei vom überwiegenden Anteil an männlichen Tatpersonen abzulenken. Im zweiten Teil des Beitrags werden Erkenntnisse zu bestehenden geschlechtlich-binären Tatperson-Prototypen vorgestellt.

Autor/innen-Biografien

Nathalie Menzel, Universität Hamburg

Nathalie Menzel (B.A Soziologie/Deutsche Sprache und Literatur) ist wissenschaftliche Hilfskraft am Institut für Germanistik der Universität Hamburg. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in der interdisziplinären Geschlechterforschung, insbesondere Genderlinguistik und Geschlechtersoziologie.

Pamela Kerschke-Risch, Universität Hamburg

Dr. Pamela Kerschke-Risch ist Soziologin und Kriminologin im Fachbereich Sozialwissenschaften der Universität Hamburg. Ihre Forschungsschwerpunkte sind kriminologische und viktimologische Fragestellungen unter besonderer Berücksichtigung genderspezifischer Aspekte.

Literaturhinweise

Alexiou, Eleni (2018): Cyber-Grooming. Eine kriminologische und strafrechtsdogmatische Betrachtung. Europäische Hochschulschriften Rechtswissenschaft. Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien: Peter Lang. doi: 10.3726/b14449

Behnisch, Michael/Rose, Lotte (2011): Sexueller Missbrauch in Schulen und Kirchen. Eine kritische Diskursanalyse der Mediendebatte zum Missbrauchsskandal im Jahr 2010. Frankfurt am Main: gFFZ Online-Publikation.

Bischof-Köhler, Doris (2022): Von Natur aus anders. Die Psychologie der Geschlechterunterschiede. 5., erweiterte und überarbeitete Auflage. Stuttgart: Kohlhammer. doi: 10.17433/978-3-17-037882-7

Blake, Christopher/Klimmt, Christoph (2010): Geschlechtergerechte Formulierungen in Nachrichtentexten. In: Publizistik 55, 289–304. doi: 10.1007/s11616-010-0093-2

Diewald, Gabriele/Steinhauer, Anja (2022): Handbuch geschlechtergerechte Sprache. Wie Sie angemessen und verständlich gendern. 2., aktualisierte und erweiterte Auflage. Berlin: Dudenverlag.

DWDS (Digitales Wörterbuch der Deutschen Sprache) (2024a): Sexualstraftäterin. Sexualstraftäterin – Schreibung, Definition, Bedeutung, Beispiele | DWDS. https://www.dwds.de/?q=Sexualstraft%C3%A4terin&from=wb (01.10.2024).

DWDS (Digitales Wörterbuch der Deutschen Sprache) (2024b): Gewalttäterin. Gewalttäterin – Schreibung, Definition, Bedeutung, Beispiele | DWDS. https://www.dwds.de/?q=Gewaltt%C3%A4terin&from=wb (01.10.2024).

DWDS (Digitales Wörterbuch der Deutschen Sprache) (2024c): Sexualstraftäter. Sexualstraftäter – Schreibung, Definition, Bedeutung, Synonyme, Beispiele| DWDS. https://www.dwds.de/wb/Sexualstraft%C3%A4ter (01.10.2024).

DWDS (Digitales Wörterbuch der Deutschen Sprache) (2024d): Abfrage zu Sexualstraftäter im ZDF-Regionalkorpus (ab 1993). Suche nach `Sexualstraftäter‘ (ZDL-Regionalkorpus (ab 1993)) | DWDS. https://www.dwds.de/r/?q=Sexualstraft%C3%A4ter&corpus=regional&format=full&p=3&sort=date_desc&limit=50 (01.10.2024).

DWDS (Digitales Wörterbuch der Deutschen Sprache) (2025): missbrauchen. missbrauchen – Schreibung, Definition, Bedeutung, Etymologie, Synonyme, Beispiele | DWDS. https://www.dwds.de/wb/missbrauchen (25.09.2025).

Eckes, Thomas (2010): Geschlechterstereotype: Von Rollen, Identitäten und Vorurteilen. In: Becker, Ruth/Kortendiek, Beate (Hg.): Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung. Theorie, Methoden, Empirie. 3., erweiterte und durchgesehene Auflage. Geschlecht & Gesellschaft. Band 35. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 178–189. doi: 10.1007/978-3-531-91972-0_20

Ferstl, Evelyn C. (2022): Psycho- und neurolinguistische Forschung zu maskulinen Personenbezeichnungen. In: Beaufays, Sandra/Herrmann, Jeremia/Kortendiek, Beate (Hg.): Geschlechterinklusive Sprache an Hochschulen fördern. Handreichung. Studien Netzwerk Frauen- und Geschlechterforschung 36, 34–38. doi: 10.17185/duepublico/75203

Ferstl, Evelyn C./Nübling, Damaris (2024): Sonderzeichen als typographische Kennzeichnung geschlechtersensiblen Sprachgebrauchs. Linguistische Überlegungen und experimentelle Befunde zum Genderstern. In: Krome, Sabine/Habermann, Mechthild/Lobin, Henning/Wöllstein, Angelika (Hg.): Orthographie in Wissenschaft und Gesellschaft. Schriftsystem – Norm – Schreibgebrauch. Berlin, Boston: De Gruyter, 259–284. doi: 10.1515/9783111389219-014

Föhl, Ulrich/Friedrich, Christine (2022): Quick Guide Onlinefragebogen. Wie Sie Ihre Zielgruppe professionell im Web befragen. Wiesbaden: Springer. doi:10.1007/978-3-658-36291-1

Gebhardt, Tanita/Briken, Peer/Tozdan, Safiye/Schröder, Johanna (2021): Typen und Strategien von Täterinnen bei sexuellem Kindesmissbrauch. In: Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie 16, 34–41. doi: 10.1007/s11757-021-00695-4

Geiger, Brigitte/Wolf, Birgit (2023): Geschlechtsbasierte Gewalt:. Berichterstattung, Diskurse und feministische Interventionen. In: Dorer, Johanna/Geiger, Brigitte/Hipfl, Brigitte/Ratkovic, Viktorija (Hg.): Handbuch Medien und Geschlecht. Perspektiven und Befunde der feministischen Kommunikations und Medienforschung. Wiesbaden: Springer, 701–720. doi: 10.1007/978-3-658-20707-6_36

Gerke, Jelena/Öttl, Patrick/König, Elisa/Fegert, Jörg M./Hoffmann, Ulrike/Rassenhofer, Miriam (2024): Female perpetrated child sexual abuse. A vignette study investigating professionals’ gender related perception bias and the influence of an e learning course. In: International Journal on Child Maltreatment: Research, Policy and Practice 7, 327–349. doi: 10.1007/s42448-024-00193-0

Hunger, Ulrike (2019): Verurteilte Sexualstraftäterinnen. Eine empirische Analyse sexueller Missbrauchs- und Gewaltdelikte. Kriminologische und sanktionenrechtliche Forschungen. Band 20. Berlin: Duncker & Humblot. doi: 10.3790/978-3-428-55646-5

Kerschke-Risch, Pamela (2022): Fragen an die Gesellschaft. In: Kerschke-Risch, Pamela (Hg.): Sexualisierte Gewalt gegen Kinder. Hintergründe – Zusammenhänge– Erklärungen. Stuttgart: Kohlhammer, 7–15. doi: 10.17433/978-3-17-042031-1

Körner, Anita/Abraham, Bleen/Rummer, Ralf/Strack, Fritz (2022): Gender representations elicted by the gender star form. In: Journal of Language and Social Psychology, 41 (5), 553–571. doi: 10.1177/0261927X221080181

Körner, Anita/Glim, Sarah/Rummer, Ralf (2024): Examining the glottal stop as a mark of gender-inclusive language in German. In: Applied Psycholinguistics 45, 156–179. doi: 10.1017/S0142716424000018

Kotthoff, Helga/Nübling, Damaris (2018): Genderlinguistik. Eine Einführung in Sprache, Gespräch und Geschlecht. Tübingen: narr.

Kruppa, Alexandra/Fenn, Julius/Ferstl, Evelyn C. (2021): Does the asterisk in gender-fair word forms in German impede readability? Evidence from a lexical decision task. Vortrag bei AMLaP 2021 (Architectures and Mechanisms for Language Processing), Paris, 2.–4. September 2021.

Küken-Beckmann, Heike/Wypych, Beatrice (2019): Sexueller Kindesmissbrauch. – Das Tabu der Täterin. In: Steffes-enn, Rita/Ihm, Helga (Hg.): Täter und Taten als Informationsquellen. Anamnese und Fallarbeit. 3. erweiterte und überarbeitete Auflage. Frankfurt am Main: Verlag für Polizeiwissenschaft, 361–382.

Kusterle, Karin (2011): Die Macht von Sprachformen. Der Zusammenhang von Sprache, Denken und Genderwahrnehmung. Frankfurt am Main: Brandes & Apsel.

Leuschner, Fredericke (2020): Täterinnen. Hintergründe und Deliktstrukturen bei Straftaten durch Frauen. In: Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie 14, 130–140. doi: 10.1007/s11757-020-00590-4

Mayring, Philipp (2022): Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken. 13., überarbeitete Auflage. Weinheim: Beltz.

Meier, Bernd-Dieter (2023): Sexualisierte Gewalt gegen Kinder. – Bestandsaufnahme und Veränderungen aus kriminologischer Sicht. In: Lüttig, Frank/Lehmann, Jens (Hg.): Sexuelle Gewalt gegen Kinder. Schriften der Generalstaatsanwaltschaft Celle. Band 8. Baden-Baden: Nomos, 13–34. doi: 10.5771/9783748919940

Niemeczek, Anja (2015): Tatverhalten und Täterpersönlichkeit von Sexualdelinquenten. Der Zusammenhang von Verhaltensmerkmalen und personenbezogenen Eigenschaften. Wiesbaden: Springer. doi: 10.1007/978-3-658-07394-7

Osterheider, Michael/Neutze, Janina/Banse, Rainer/Briken, Peer/Fegert, Jörg M./Goldbeck, Lutz/Hoyer, Jürgen/Santtila, Pekka (2015): MIKADO – Missbrauch von Kindern:. Ätiologie, Dunkelfeld und Opfer. http://www.mikado-studie.de/tl_files/mikado/upload/MiKADO%20_%20Ergebnisse.pdf (01.10.2024).

O’Sullivan, Catherine (2007): Wie eine Sexualstraftäterin als Opfer dargestellt wurde.: Der Fall der Mary Kay LeTourneau. In: Künzel, Christine/Temme, Gaby (Hg.): Täterinnen und/oder Opfer? Frauen in Gewaltstrukturen. Gender-Diskussion. Band 4. Hamburg: LIT, 175–197.

Roßmanith, Sigrun (2020): Täterin. – Gewalt- und Sexualstraftaten von Frauen. Berlin: Springer. doi: 10.1007/978-3-662-62278-0

Schröder, Johanna/Tozdan, Safiye/Yamak, Yasemin/Gebhardt, Tanita/Hübner, Janne/Räuchle, Jule Frederike/Briken, Peer (2021): Sexueller Kindesmissbrauch durch Frauen. Zusammenfassung der Ergebnisse aus dem Forschungsprojekt ‚Geschichten, die zählen‘. Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs. https://www.aufarbeitungskommission.de/mediathek/sexueller-kindesmissbrauch-durch-frauen/(18.07.2024).

Schulten, Andrea (2022): Trauma und Sexualität. In: Riffer, Friedrich/Sprung, Manuel/Kaiser, Elmar/Burghardt, Juliane (Hg.): Sexualität im Kontext psychischer Störungen. Vielfalt der Normalität und Stellenwert in der Psychotherapie. Berlin: Springer, 133–150. doi: 10.1007/978-3-662-63726-5_11

Stahlberg, Dagmar/Sczesny, Sabine (2001): Effekte des generischen Maskulinums und alternativer Sprachformen auf den gedanklichen Einbezug von Frauen. In: Psychologische Rundschau 52 (3), 131–140. doi: 10.1026//0033-3042.52.3.131

Stefanović Tanja (i. Dr.): Genderlinguistik und deutsche Sprachgeschichte. In: Balnat, Vincent/Kaltz, Barbara (Hg.): Genus und Geschlecht in europäischen Sprachen. Geschichte und Gegenwart. Tübingen: narr.

Thiele, Martina (2023): Medieninhalte. Geschlechterrepräsentationen und -(de)konstruktionen. In: Dorer, Johanna/Geiger, Brigitte/Hipfl, Brigitte/Ratkovic, Viktorija (Hg.): Handbuch Medien und Geschlecht. Perspektiven und Befunde der feministischen Kommunikations- und Medienforschung. Wiesbaden: Springer, 303–320. doi: 10.1007/978-3-658-20707-6_19

UBSKM (Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs) (2024): Wer sind die Täter und Täterinnen? https://beauftragte-missbrauch.de/themen/definition/wer-sind-die-taeter-und-taeterinnen (03.10.2024).

Wittfeld, Meike (2024): Riskante Nähe. Sexuelle Gewalt in Institutionen als Herausforderung für die Heimerziehung. Sexuelle Gewalt in Kindheit und Jugend: Forschung als Beitrag zur Aufarbeitung. Wiesbaden: Springer VS. doi: 10.1007/978-3-658-43049-8

Zarcharski, Lisa/Ferstl, Evelyn C. (2023): Gendered representations of person referents activated by the nonbinary gender star in German: A wordpicture matching task. In: Discourse Processes 60 (4–5), 294–319. doi: 10.1080/0163853X.2023.2199531

Cover: Forschungsartikel

Downloads

Zusätzliche Dateien

Veröffentlicht

2025-10-08

Zitationsvorschlag

Menzel, N., & Kerschke-Risch, P. (2025). „Standardmäßig denke ich bei Sexual- und Gewaltstraftaten an männliche Verbrecher“ – Eine quantitative Studie zur Wirkung von geschlechtsinklusiver Schriftsprache bei der Referenz auf Sexual- und Gewaltdelinquenz. Open Gender Journal, 9. https://doi.org/10.17169/ogj.2025.348

Ausgabe

Rubrik

Forschungsartikel